Ur-Delbrücker erinnert sich gerne zurück
Von Jürgen Spies
DELBRÜCK (WV). Es gibt sie, diese persönlichen Erinnerungen, die auch nach Jahrzehnten nicht verblassen und noch so frisch wirken, als sei es gestern gewesen. Reinhard Peitz kennt diese Erfahrung: Er war vor 25 Jahren Prinz Karneval in Delbrück und denkt gerne daran zurück.
Mehr als Prinz kann man als Jeck in Delbrück nicht werden. Wer hier von Kindesbeinen an mit dem Karneval groß geworden ist, sich etwas später vielleicht schon als Wagenbauer hervorgetan hat, weiß um die Ehre und Bedeutung, ein Jahr lang als Prinz den Karnevalverein „Eintracht von 1832“ repräsentieren zu dürfen.
Das wusste vor einem Vierteljahrhundert auch Reinhard Peitz. Dass ihn damals allerdings die sogenannte Viererbande des KV Eintracht, die in jeder Session einen neuen Prinzen in geheimer Mission ausguckt, ausgesucht hatte, „damit habe ich natürlich nicht gerechnet“, erzählt der heute 71-Jährige in einem Gespräch mit dieser Zeitung.
Es war eines Abends früh im Januar des Jahres 2000. Reinhard „Petschek“ Peitz war gerade vom Sport mit seiner Volleyball-Hobbytruppe nach Hause gekommen, als das Telefon klingelte. Am anderen Ende der Leitung: das damalige Elferratsmitglied Ingo Strunz. „Ich brauche mal dringend deine Hilfe als Fachmann“, flunkerte er. Noch ahnte Reinhard Peitz nämlich nicht, dass dies nur eine Finte war. Und völlig abwegig war es ja nicht, dass er als geschäftsführender Gesellschafter der Firma Kersting Unterhaltungselektronik in Delbrück um Rat und Unterstützung gebeten wurde.
Wie auch immer: Wenig später stand Ingo Strunz an der Haustür der Familie Peitz am Bendixwall „und erzählte, er sei gerade dabei, für den nächsten Tag ’ne Feier zu organisieren. Und da gebe es jetzt plötzlich ein technisches Problem. Das müsste ich mir mal eben selbst anschauen“, hat Reinhard Peitz die Szene noch vor Augen. Über Umwege Richtung Nordhagen und zurück nach Delbrück bog das Auto schließlich in die Jakobstraße ein. Da dämmerte dem damals 46 Jahre alten Karnevalsfreund, was jetzt kommt. Die Viererbande saß bei Ehrenpräsident Reinhold Hartmann im Wohnzimmer und wartete schon. Mit dabei waren Präsident Manfred Simon, Vorsitzender Wigbert Rath und eben Ingo Strunz. „Ich hab mir das alles erstmal angehört, bin dann aufgestanden und hab gesagt ‚Alles klar. Ich überleg mir das’“, weiß Reinhard Peitz noch ganz genau. Wigbert Rath reagierte sofort: „Nee, nee. Setz dich bitte wieder hin.“ Schließlich war und ist großartige Bedenkzeit in der Prinzenfrage nicht vorgesehen.
Die strenge Geheimhaltung ging danach wie üblich über Wochen weiter. Und auch am Abend der Prinzenproklamation in der Stadthalle trickste Reinhard Peitz, damit es bloß nicht auffällt, dass er gegen 21 Uhr als neuer Prinz Karneval ins grelle Rampenlicht tritt. Unter einem sehr glaubhaft klingenden (beruflichen) Vorwand, verbunden mit dem kurzen Hinweis „bin gleich wieder da“, verließ Reinhard Peitz die Halle, zog sich in einem Bulli heimlich um, kam ein paar Minuten später durch einen Hinterausgang unerkannt durch die Katakomben zurück, wo der jeweils neue Prinz immer bis zur letzten Sekunde im Rote-Kreuz-Raum versteckt gehalten wird. Dann ging es unter großem Jubel raus – mehr als 1000 Narren im Saal jubelten.
Für Reinhard Peitz war es jedenfalls ein wunderschönes Prinzenjahr. Als langjähriger und begeisterter Wagenbauer in der Neustadt-Truppe, später als Mitglied von Fußgruppen, als bekannter „Kanalsänger“, als leidenschaftlicher Reiter und ehemaliger Jugendwart des Reitervereins, als Ur-Delbrücker, genoss er seine Zeit als Fürst des Frohsinns, wenngleich der 71-Jährige ganz offen verrät, dass „ich früher vielmehr davon geträumt habe, Kranzkönig zu werden.“ Wohl wissend, dass das Kranzreiten der älteste und wichtigste Bestandteil des Karnevals in Delbrück ist.
